Silbermann Orgel Reinhardtsgrimma

Silbermann Orgel zu Reinhardtsgrimma

Evangelische Kirche Reinhardtsgrimma

 

 
Gedicht zur Einweihung der
Gottfried Silbermann-Orgel im Jahre 1731
von Jacob Lehmann, Organist in Dippoldiswalde



Bei einer Reparatur der Silbermannorgel in der Dresdner Frauenkirche durch Hoforgelbauer Jehmlich aufgefunden


Der Verfasser ergeht sich zunächst in einem Lobpreis der edlen Musika, redet von Instrumenten, Musikanten und den Wirkungen der Musik, und kommt schließlich auf die Orgel und den Orgelbauer zu sprechen.


Dem Poem vorangestellt ist folgende Widmung:


„Als das neuerbaute Orgelwerk in Reinhardtsgrimma, welches vonTit. Tot. Herrn Gottfried Silbermann, Königl. Pohln. und Chur-Fürst. Sächs. Hof- und Land-, auch sonst weit berühmten Orgelbauer verfertigt, den 6. Januar 1731, als am Feste Ephiphanias, bei volkreicher Versammlung solenniter eingeweiht wurde, wollte seine schuldigste Gratulation in diesen nachgesetzten schlechten Versen abstatten dessen aufrichtiger guter Freund


Jacob Lehmann, Cantor und Organist Dippoldiswalde


Musik; die edle Kunst, ist lieb und werth zu schätzen,
es kann ihr schöner Klang die Engel selbst ergötzen ....

Sie hat was Englisches, und ist ein Himmelskind,
woran der große Gott selbst sein Vergnügen find.

Wer wollte sich demnach von dieser Kunst entfernen?
Sie hat der Fürsten Gunst, die sie oft selber lernen ....

Wie mancher arme Tropf macht sich damit sein Glück:
er kömmt vor andern fort; warum? Er kann Music! ...

Die jetzt galante Welt liebt Pauken und Trompeten,
Waldhörner, Hautbois, Travers- und
  Douces- Flöten,
das Harf- und Lautenspiel, die Geigen und Clavier,
doch zieht der Bergmann wohl die Cyther allen für.

Ein jedes lässet sich nach seiner Art gut hören
und ihr Wirkung soll oft Tier und Menschen tören.

So stillt Polycharis der argen Wölfe Grim,
durch der Posaunen Schall fällt Stadt und Mauern üm

Wenn Orpheus` Leyer klingt, will Baum und Stein sich regen,
Arion ist geschickt, Delphine zu bewegen.


Des Davids Harfe dämpft des Sauls verdammte Wut,
o herrlicher Effect! Music macht guten Mut!


Nun müssen hierbei der Orgeln nicht vergessen,
die klingen extrafein mit penetranten Bässen.


Wenn sie ein Maitre spielt, so hört man sich kaum satt,
weil ihr beliebter Ton was Himmlisch`s an sich hat.


Sie sind ein schönes Werk, wie man in Kirchen schauet,
und werden Gott allein zur Ehre aufgebauet,
indem ihr süßer Schall dem Höchsten wohlgefällt,
der sich das Pfeifwerk auch zum Lobe vorbehält.


So gleicht der Gottesdienst dem Himmel schon auf Erden,
wenn bei solenner Zeit schön musiziert kann werden.


Es ist dies Freudenspiel ein Vorgeschmack jener Lust,
die nur den Seligen und Engeln ist bewußt.


Der anmutsvolle Ton den Menschen so bestricket,
daß sich so Hand als Mund zu guter Andacht schicket;
ein geistlicher Choral erweckt das träge Herz:
so treibt das Orgelspiel die Unmut hinterwärts.


Sie sind ein lieblich Werk von zwei bis drei Clavieren,
worauf ihr schöner Klang sich vielmal läßt mutieren:

Wenn da der Organist ein neu Register zieht,
daneben mit Manier zuspielen sich bemüht.


Bald wird sie doucement nach Art der Flötenklingen,
bald kann er sie charmant und con affecto zwingen,
dann macht das ganze Werk besondre Gravität,
wenn Baß und Manual stark durcheinander geht.


Und kann ein Instrument der Menschen Stimme gleichen,
so will die Orgel-Kunst an ihre Schönheit reichen:
man hört verwundert an, wenn „vox humana“ klingt,
die Schwebung trifft so gut, als wie ein Mensch fast singt.


Sie sind ein völlig Werk, sie werden unter allen,
was musicalisch heißt, am herrlichsten erschallen,
wenn da Discant und Baß recht prächtig klingen soll,
so nimmt man den Accord mit beiden Händen voll.


Sie sind das Fondament beim Kirchen-Musicieren;
ein guter Maitre weiß wohl zu accompagnieren,
der da mit Hand und Fuß so viele Stimmen bindt,
die, weil er Praxis hat, ihm leicht zu greifen sind.


Da mag er ein Conzert auf seiner Orgel schlagen,
auch eine Phantasie durch alle Modus wagen;
und soll die Fuge schön in Quart und Quinte gehen,
so muß er Contrapunkt und Bindungen verstehen.


Sie sind ein Künstlich Werk, ein Kluger wird bekennen,
daß man sie füglich darf ein Meisterstücke nennen.


Zu solchem Bau gehört Witz und geschickte Hand,
eh` ihn der Künstler bringt in so vollkommen Stand.


Da denkt er das Gehäus gar weislich anzupassen,
das Schnitzwerk und Gesims muß gut und propre lassen,
und daß der Pfeifenrang so ins Gesichte fällt,
damit das Außenwerk auch Pracht und Ruhm erhält.


Dann ist die meiste Kunst inwendig zu erblicken,
da das Regierwerk sich muß just zusammenschicken.

Windstöcke, Laden, Stift`, Cancellen, Scheeren, Draht,
Abstracten und noch mehr muß passen accurat.


Nächst dem kann die Vernunft leicht von sich selbst begreifen:
In einer Orgel stehn viel klein`und große Pfeifen;


Die klingen grob, die klar, die douce, diese schrein,
die liebliche, diese schroff, zusammen alle fein.

Wenn sie der Clavis drückt, sind sie bereit zu sprechen,
so artig intoniert, die wird nicht jene schwächen,
sie müssen recht aequat, im Tone hell und rein,
und jedem, der sie hört, mit Lust zu hören sein.


So läßt es eben schlecht, wenn eine irgend schweigt,
da wird die Melodie nicht, wie man will, erreicht.

Die Temperierung weiß der Künstler so zu teilen,
daß man nicht irgendwo den schlimmen Wolf hört heulen.


So soll auch das Ventil fest zugeschlossen stehn,
daß nicht der schlaue Wind mag in die Pfeifen gehen.

Gewiß, ich hätte bald den Blasebalg vergessen,
da der subtile Wind so richtig abzumessen,
daß er nicht schluckt noch stößt, noch Nebenlöcher findt;
und wenn das Werk nicht klingt: Patron, das macht der Wind!
(Soll wohl richtiger heißen: „Pardon! das macht der Wind!“)


Genug, ich mache nur den Leser überdrüssig,
wie ich beschreiben will, was acht- und sechszehnfüßig,
was Principal, Bordun und mehr Mensuren sein,
da mir bei dieser Kunst nicht alles fället ein.


Du wirst, mein Silbermann, von Orgeln Mehrers wissen,
der du eun Maitre bist, wie wir selbst sagen müssen;


Dein werter Name ist sehr weit und breit bekannt,
die Schriften rühmen dich, dich kennt ganz Sachsenland.


Die gute Freundschaft will mich jetzt zu Versen treiben,
mein schlechter Kiel soll was zu deinem Lobe schreiben,
ich nehme dieses Amt gar gern und willigst an:

Du Künstler hast dich ja vor andern vorgetan!

Wie dir dann dieser Ruhm sans flatterie gebühret, (=ohneSchmeichelei)

Dein Witz hat manchen Bau aufs Klügste ausgeführet,
weil unser Sachsen schon bei dreißig Orgeln zählt,
die unvergleichlich sein, und denen gar nichts fehlt.

Kein Künstler ist so weit im Orgel-Bau gekommen,
dem seine Arbeit wird so rühmlichst übernommen,
und nicht examiniert, ob`s auch die Probe tut.

Warum? : Herr Silbermann macht seine Sache gut!


Wir können heute noch ein neues Kunststück sehen,
davon wird die Censur von Klugen so geschehen:

Es ist vollkommen gut und nette aufgebaut,
daß jeder, der es sieht, nur mit Vergnügen schaut!


Du weißt die Harmonie so lieblich anzubringen,
daß manche Pfeifen tun, als wann sie wollten singen!


Nun, weil man sich daran nicht sattsam hören kann,
so bleibst du, Silbermann, ein SILBER FEINER MANN!


Wir loben deine Kunst, dein Fleiß ist hochzuschätzen,
man weiß an diesem Werk nichts, gar nichts auszusetzen,
drum schreibt die Littern dran!
  DIE ORGEL KLINGET SCHÖN !

Wer anders raisonniert, muß schlecht die Kunst verstehn!