Eines Satzes von Lessing, Mitte 18.
Jahrhundert, eingedenk:
„Wenn Kunst sich in Natur verwandelt,
so hat Natur und Kunst gehandelt.“ Dieses Satzes eingedenk,
begann 1833 Herrmann Fürst von Pückler-Muskau seine
„Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ niederzuschreiben
und empfahl darin, bei jeder Gartenanlage mit der Grundidee,
dem Plan einer ordnenden Hand, zu beginnen, um „aus dem
Ganzen der landschaftlichen Natur ein konzentriertes Bild,
eine solche Natur im kleinen als poetisches Ideal
zu schaffen. Also dieselbe Idee zu verwirklichen, welche
auch(…) jedem anderen wahren Kunstwerk das Dasein gibt.“
Dann gab er einige wichtige
Geheimnisse preis, die den Charakter eines
Landschafts-gartens seiner Zeit ausmachen sollten und die
bis heute für den großzügigen Eindruck vieler Anlagen
mitbestimmend sind: Größe und Ausdehnung betreffend, die
Umschlies- sungen, die Gruppierungen im Gelände von Gebäuden,
Wiesen, Rasen, Bäumen, Wegen; die Bedeutung und Einbeziehung
von Licht, von Wasser, Inseln, Felsen, … das Vorgehen bei
Erdarbeiten und Planaden und schließlich die anfallenden
Erhaltungsarbeiten. Bei allem, betonte er, sei optisch „das
effektvolle Verbergen und Ahnenlassen schwerer, (aber
wichtiger), als das offene Zeigen.“
Und er sprach von der „Majestät der
Jahre“, die in einem lebendig wachsenden Anwesen unbedingt
zu respektieren sei, um schließlich in „einem Garten, wie
einer Bildergalerie wandeln zu können. Bilder aber,
meinte er noch einmal in Anspielung auf einen Park,
verlangten ihren Rahmen.
Und diesen Gedanken des abgegrenzten,
umfriedeten Gartens betont Sabine Mohrmann in ihrer
humorig stilisierten Beobachtung „In Pfanners Garten“ in
Mischtechnik auf Papier. Dort wirken inmitten des ummauerten
Grüns die Skulpturen wie andächtig wandelnde Besucher, die
Besucher aber beim Betreten bereits ehrfürchtig wie
Skulpturen. Oder habe ich da etwas verwechselt?
Sabine Mohrmann - In Pfanners Garten
in Lucca
Mischtechnik auf Papier - 2019
Denn, ja, verehrte Gäste – es
dominiert der heitere Charakter, der uns in einer
Park-landschaft erfasst, auch in der gemalten. Abgesehen
vielleicht von dem Hauch Melancholie, den der Gedanke der
Vergänglichkeit, die Majestät der Jahre, nun einmal mit sich
bringt.
Deutlich tritt in unserer Auswahl der
Unterschied zu anderen Bereichen der Landschafts-malerei
hervor: zu rauen Gebirgsmotiven, zur wilden Natur
unberührter Wälder, den Kräften des Wassers und andererseits
zu urbanen Motiven: Im Park trifft der Blick auf eine
maler-isch idealisierte Welt, die zeichenhaft, mit
ausgewählten Versatzstücken unberührter Natur und
überkommener Kultur imponiert. Ausgewogen spielen Licht und
Schatten einander die Effekte zu - ganz so, wie es
impressionistische Freilichtmaler über ein Jahrhundert lang
auch in ihren Bildern liebten.
In ihrer Nachfolge verzaubern
Maria Mednikovas zarte Aquarelle und farb-explodierenden
Ölgemälde. Sie gehen den geschickt inszenierten Achsen und
verschlungenen Weg-führungen nach, die zu jeder Jahreszeit
stimmungsvoll den Blick über die Farbenpracht der großen und
kleinen Formen von Rasen, Blüten, Büschen und Bäumen lenken,
zwischen denen an wohlgewählten Orten Bänke, Skulpturen oder
Brücken beschauliche Akzente setzen. Akzente, die jeweils
viel über den Geist ihrer Entstehungszeit und natürlich der
Bauherren erzählen.
Maria Mednikowa - Parklandschaft
Öl - 2015
So hat sich Carsten Gille in
einem Tierpark umgesehen, wo eine lebendig gestaltete
Skulpturengruppe an die Ursprünge von Parkanlagen generell
erinnert, nämlich in einem größeren eingegrenzten Gelände
Jagdwild zu halten, das praktischer Weise dann dort auch mit
hoher Erfolgsquote von den Herrschaften erlegt werden
konnte.
Carsten Gille - Tiergarten
Öl auf Leinwand - 2019
Auch Carsten Gille nutzt in seinen
Ölbildern die atmosphärischen Erscheinungen von Licht und
Schatten, spannungsvoll noch dupliziert durch
Wasserspiegelungen. Aber die zeitliche Distanz, die er als
heutiger Besucher empfindet, drückt er in einer flächigen
Malweise aus, mit der er, seinerseits fast versatzstückhaft
– kulissenartig - seine Bilder komponiert.
Ulla Andersson, die sich
mit Skizzenblock und Zeichenkohle in den Pillnitzer Anlagen
umgesehen hat, zollt der Jetzt-Zeit Tribut, indem sie in
einer „Stillen Ecke“ neben einer Sitzbank, pragmatisch
abgestellt, auch einen sachlichen, heutigen Papierkorb
notiert, während sie in den Bosketts das lautlose Treiben
barocker Skulpturen beobachtet.
Ulla Anderssohn - Stille Ecke in
Pillnitz
Kohle auf Papier - 2019
In ihren farbstarken Mischtechniken
auf Papier mit Collageelementen hingegen zeigt sie ihre
Bewunderung und Freude angesichts der blühenden Formen- und
Farbenpracht, die sie, zusammengetragen aus aller Herren
Länder, im Park gefunden hat und nun, bis in ihre Träume
noch begleitet.
Dazwischen stehen in der Ausstellung,
objektivierend, die farbigen Analogfotografien von Iris
Pelka. Objektivierend, weil man der Authentizität
kaum manipulierter Analogfotografien noch trauen kann! Aber
was sie mit bloßem Auge durchs Objektiv aufs Fotopapier
gebannt hat, das erzählt malerischer als manches Gemälde von
der Majestät der Zeit, die sich durchaus farbenfreudig in
üppigen Schadensbildern an historischer Bausubstanz
aus-spricht, wie sie andererseits glasklar eingefangen im
Wassertropfen zum Erhalt und beständigen Weiterleben der
Natur beiträgt.
Iris Pelka - Tropfen
analoge Fotografie
Mit frechem, flotten Pinselstrich hat
sich Christiane Latendorf in Reinhardtsgrimma
umgeschaut. Ohne im Geringsten auf naturalistische Details
einzugehen, hat sie die charakteristische Absenkung des
Geländes festgehalten, die den Übergang von der gegliederten
Schlossfassade in den weitläufigeren Park vermittelt.
Christiane Latendorf - Schloss
Reinhardtsgrimma
Mischtechnik - 2019
Liebten es ehemals die
herrschaftlichen Bewohner aus dem Gartensaal im
vorspringenden Mittelrisalit zunächst in den ordentlich
bepflanzten Pleasure-ground zu treten, bevor sie weiter
hinaus spazierten, fühlen sich die Besucher heute vor allem
von den weitläufig geschwungenen Wegen unter den alten
Bäumen angezogen, rund um den Teich oder vorbei am
Badehäuschen. Da werden Hunde ausgeführt und auch ein Maler
hat sich niedergelassen. Möglicherweise ist das Michael
Schwill, der mit ihr zum Naturstudium hier war.
Michael Schwill - Badehaus
Aquarell, 2019
Schwill, den man bislang nur als
abstrakten Künstler kannte, hat auf einmal seine Freude am
Gegenständlichen wiederentdeckt und wartet hier mit einer
stimmungsvollen Aquarellstudie des Badehauses am nördlichen
Hang auf - streng in der Linienführung der klassizistischen
Architektur, romantisch bewegt in der Fülle der wuchernden
Vegetation, schlaglichtartig beleuchtet von einer
strahlenden Nachmittagssonne.
Leider hat der Platz in dieser
kleinen Begleitausstellung nicht gereicht, auch die
zauberhaf-ten Blütenstudien von ihm und von Christiane
Latendorf aufzunehmen, ebensowenig wie für ihre
fröhlich-unbeschwerten Scherenschnitte. Aber vielleicht
begegnet man ihnen demnächst einmal in einer nur ihnen
gewidmeten Ausstellung.
Auch andere Künstler hatten die Qual
der Aus-Wahl:
Beate Domansky, hat nicht
nur in Acryl auf Leinwand den verschiedenen Blühphasen von
Pflanzen, von der Knospe zur Blüte, zur samentragenden
Frucht nachgespürt, sie hat auch eine ganze Folge
großformatiger Blätter einer alten, am Fuß efeuumwundenen
Linde im Reinhardtsgrimmaer Park gewidmet; aufwendig in Holz
geschnitten und per Handpresse auf Mainzer Alt gedruckt.
Beate Domansky - Alte Linde
Holzschnitt auf Mainzer Alt, 2019
Dabei war sie den Lebensbahnen eines
solchen alten Gehölzes auf der Spur, das selbst, mit seinem
borkigen Stamm und seinem vibrierenden Laubkörper
Lebensraum für unzählige weitere Wesen ist.
Auch Bienen und andere Insekten
gehören zweifellos zu denen, die dort Nahrung und
Unterschlupf finden. In expressiven, überlebensgroßen
Radierungen stellt Elke Daemmrich einmal diese
interessanten, in unserem Kontext viel zu wenig beachteten
Bewohner des Ökosystems, Bestäuber und Honiglieferanten, in
den Mittelpunkt einiger ihrer Blätter.
Elke Daemmrich - Die Bienen
Ätzradierung auf Kupfer - 2013
Und für Ralf Schneider,
in akribischen sanft tonigen Strichradierungen, sind es
wiederum alte Bäume, die, in der Gruppe oder als Solitär und
jeder ein unverwechselbares Individuum, zum besonderen
Charakter einer jeden Parkanlage beitragen.
Ralf Schneider - Der Alte
Strichradierung - 2012
Andere Faktoren, die den
Gesamtcharakter eines Parks mitbestimmen, wir sagten es
schon; sind auch Bauwerke und Gewässer.
Sebastian Glockmann hat
jeweils wieder einen etwas größeren Landschaftsausschnitt
vor Augen, wenn er im Laufe eines Tages das sich wandelnde
Licht Am Hermsdorfer Schlossteich verfolgt, in seiner
expressiv-energiegeladenen „neu-impressionistischen“
Malweise.
Sebastian Glockmann - Am Hermsdorfer
Schlossteich
Öl - 2014
Treten Sie weit zurück, vor diesen
Ölbildern, kneifen Sie vielleicht sogar ein bisschen die
Augen zusammen, wie, um sich vor zuviel Sonne zu schützen,
dann sehen Sie das flirrende Licht, das über dem Teich und
den Rhododentronblüten sein unvergessliches Spiel treibt.
Glockmann fixiert es konsequent vor Ort.
Frank K. Richter-Hoffmann
aber gehört zu jenen, die sich konsequent auf die
Erinnerung; auf die gespeicherten Bilder im Kopf verlassen.
Frank K. Richter-Hoffmann - Les
vibrations au rythme vert (N°9)
Acryl und Zeichentusche auf Papier - 2019
Zwar können wir hier auch nur eine
Auswahl der insgesamt 14 Blatt umfassenden „Vibrationen im
grünen Rhythmus" in Arcyl und Zeichentusche auf Papier
zeigen, aber wir sehen, das Grüne wiegt sich gesättigt in
der Luft. In verschiedenen Intensitäten bis hin zum Petrol
wächst es kraftvoll nach oben. Es windet und schlängelt
sich, fließt oder neigt sich zurück zur Erde, ganz so, wie
am Abend, kurz bevor der Schlaf kommt, die Eindrücke des
Tages im Kopf noch einmal Revue passieren: Rein – nur die
erinnerte Empfindung eines optischen Eindrucks.
Dass aber solche rein erinnerten
Empfindungen eines optischen Eindrucks, ohne konkretes
Naturvorbild auch in vielerlei anderer Form künstlerisch
Gestalt annehmen können, zeigen die textilen Arbeiten der im
Dezember 2018, vor fast einem Jahr verstorbenen Renate
Jaeger. Der Begriff der Applikation greift zu kurz,
betrachtetet man die meditative Beharrlichkeit, mit der sie
im Dialog mit dem Material Linien und Schraffuren, Flächen,
Raum und Farbe ausschließlich mit Nadel, Faden und Stoffen
komponierte. Als studierte Grafikerin lotete auch sie, im
Sinne einer umfassenden Verallgemeinerung, die Möglichkeiten
von Abstraktion und Verfremdung aus. So ist mir ihr
„Vergessener Park“ aus dem Jahr 2001 unvergesslich
geblieben. Ebenso wie ihr „Vorfrühling“ und der „Blühende
Mohn“ nach wie vor unsere Gewissheit zu stärken vermögen,
dass die Natur – (in Landschaftsgärten, Parks oder
ungestalteter Landschaft) mit oder ohne die regulierende
Hand des Menschen, nicht aufhören wird, für das Aufgehen von
Saat zu sorgen.
Renate Jaeger - Vergessener Park
Textil - 2001
Dass aber der Mensch diesbezüglich,
auch in seinem ureigensten Interesse Großes zu leisten
vermag, bezeugen die jahrhundertealte Tradition kultivierter
Landschaft bis hin zu Landschaftsparks und -Gärten, ihre
bewusste Erhaltung und Pflege und ihre Reflektion in der
Kunst.